Stellungnahme: Dialog statt Räumung

Wir, die Besetzer*innen des Audimax der Technischen Universität Berlin, wurden am Montag durch das nicht nachvollziehbare Verhalten des Präsidiums überrumpelt. Nachdem wir alle dringend Zeit zum Durchatmen brauchten, möchten wir nun die Räumung nochmals beleuchten und unsere Position als Besetzer*innen verdeutlichen. Eine Schilderung des Ablaufs des 18.06.2018 gibt es bereits in unserer letzten Pressemitteilung.

 

Wir sind immer noch geschockt vom unverhältnismäßigen Verhalten der Hochschulleitung. Einer stets kommunikationsbereiten und friedlichen Besetzer*innengruppe jegliche Möglichkeit zur Reaktion zu nehmen und durch ein Einsatzkommando der Polizei räumen zu lassen, ist schlicht unfair. Die Polizei hatte das Audimax bereits komplett umstellt, als einige der Anwesenden durch den Kanzler, Herrn Neukirchen, über die bevorstehende Räumung informiert wurden. Er gab bekannt, dass der Hörsaal in einer Minute zu räumen sei. Diese Bedingungen nahmen uns jegliche Möglichkeit zur Reaktion, zumal Kanzler Neukirchen auf keinerlei Verständnisfragen oder weitere Verhandlungsangebote einging, wie zum Beispiel das Audimax innerhalb einer Stunde aufzuräumen, zu putzen, die persönlichen Gegenstände mitzunehmen und die Räumlichkeiten selbstständig zu verlassen. Neukirchen untersagte uns sogar all unsere Sachen aus dem Audimax zu entfernen. Darüber hinaus wurden viele der solidarischen Leihgaben, wie Sofas und unser Kühlschrank, durch ein vom Präsidium beauftragtes Umzugsunternehmen abtransportiert. Dies zwingt uns zu dem Schluss, dass das Präsidium von vornherein repressive Maßnahmen geplant hatte. Dies führte zu Anzeigen wegen Hausfriedensbruch für alle Anwesenden. Hierbei ist zu betonen, dass sich zu diesem Zeitpunkt sowohl  Aktivist*innen, als auch Lerngruppen und Interessierte im Audimax befanden. Sogar Studierende, welche nicht aktiv an der Besetzung teilhatten, wurden der ohnehin vollkommen unangebrachten Repression ausgesetzt.

 

Uns stellt sich die Frage, wie sich der Aufwand eines großen Polizeieinsatzes inklusive der Beauftragung zusätzlicher Sicherheitskräfte und eines Umzugsunternehmens rechtfertigen lässt. Es wäre schlicht und ergreifend vermeidbar gewesen. Doch anstatt mit uns ins Gespräch zu kommen setzten die Verantwortlichen lieber auf einen harten Konfrontationskurs. Dies steht im völligen Gegensatz zum demokratischen Selbstverständnis der Hochschulen. Universitäten sollen seit jeher Orte sein, an denen Menschen Bildung gemeinsam gestalten, um sich kritisch mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen – und ja, diese auch zu hinterfragen. Wie wenig die Leitung der Technischen Universität davon hält, sah man am Montagmittag besonders deutlich.

 

Wir sind uns der Unannehmlichkeiten, die während der Aktion für alle Studierenden entstanden sind, bewusst. Auch wir hätten uns Besseres vorstellen können, als auf einem harten Boden in einem überklimatisierten, kalten Audimax zu schlafen. Doch die demokratische Beteiligung innerhalb der universitären Selbstverwaltung bietet keine ernsthafte Perspektive, da Studierende in den Gremien unterrepräsentiert sind. Zusätzlich zeigt das Verhalten des Präsidiums, dass die Besetzung ein notwendiges Mittel ist, um den Forderungen nach gerechteren Studien- und Lebensbedingungen Gehör zu verschaffen.

 

Besonders bedauernswert finden wir, dass sich Herr Thomsen den ganzen Tag einer Auseinandersetzung verweigerte. Laut Berichten wurde er am Montag mehrmals auf dem Campus gesehen, war jedoch zu keiner Zeit bereit mit uns in den Dialog zu treten. Erst in der Nacht zuvor hatten wir dem Präsidium einen konkreten Vorschlag zur Einigung vorgelegt. Die von uns gestellten Forderungen bewerten wir als moderat und durchaus erfüllbar. In Verhandlungen darüber wäre sicherlich ein Kompromiss zustande gekommen. Daher empfinden wir die Reaktion des Präsidiums und speziell des Präsidenten Thomsen als höchst problematisch.

 

Schlimm genug, dass Präsident Thomsen bewaffnete Polizist*innen in die Uni holt, um gegen Studierende vorzugehen. Schlussendlich entzieht sich der Verantwortliche jedwedem Dialog. Trotz der Räumung erwarten wir von der Unileitung, dass sie unsere Anliegen ernst nimmt und mit ihren Studierenden ins Gespräch kommt! Unsere Forderungen bleiben bestehen! Räumungen beseitigen keine Ungerechtigkeiten – sie produzieren sogar noch mehr! Daher fordern wir auch, dass alle Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch zurückgenommen werden!

 

Wir sind in höchstem Maße dankbar für all die Solidarität, die wir erfahren. Bei der ordentlichen Vollversammlung der Studierenden der TU am Mittwoch, 20.06.2018 brachten mehrere hundert Studierende ihren Unmut über das Verhalten des Präsidiums zum Ausdruck. Es wurde deutlich, dass der Einsatz von Polizist*innen gegen die eigenen Studierenden ein tiefer Vertrauensbruch im Verhältnis zwischen Präsidium und Studierenden darstellt. Während der Vollversammlung wurde eine umfangreiche Resolution verabschiedet, welche uns viel Kraft und Mut gibt. Die Studierenden stellten sich nicht nur hinter unsere Forderungen, sie verlangten auch die Rücknahme aller Strafanzeigen und machten deutlich dass alle friedlichen Aktionen, wie z.B. unsere Besetzung, zur Durchsetzung unserer berechtigten Anliegen angemessen sind. Damit entrissen sie Präsident Thomson seine Argumentation, dass unsere Beseztzung keine Legitimation durch eine ordentliche Vollversammlung erhalten hat. Die Vollversammlung setzte dem Präsidium eine Frist von sieben Tagen um alle Forderungen zu erfüllen, ansonsten wird der Rücktritt des Präsidiums gefordert. Der vollständige Resolutionstext wurde gestern Abend durch den AStA der TU veröffentlicht.

 

Für eine freie und kritische Bildung!

Für eine Uni ohne Polizei!